Seit Anfang des Jahres 2022 haben sich die Zinsen für Immobiliendarlehen mehr als verdoppelt. Wie Immobiliensuchende reagieren sollten und wann ein Forward-Darlehen Sinn macht.

Während sich Anleger klassischer Sparprodukte über einen höheren Zinssatz freuen und erste Banken ihre Strafzinsen abschaffen, sind für Immobilienkäufer höhere Zinsen mit Nachteilen verbunden. Ende 2021 lag der Zinssatz für Hypothekendarlehen mit einer zehnjährigen Zinsbindung noch bei 0,90 Prozent. Im Juni 2022 lag er im Schnitt laut Verbraucherportal Biallo.de bereits bei 2,91 Prozent. Das ist der höchste Anstieg seit 1999. Viele Experten halten in diesem Jahr eine Steigung auf bis zu drei Prozent für denkbar. Anfang des Jahres hatten viele noch mit maximal 2 Prozent im Jahresverlauf gerechnet. Die Zinsaufschläge kamen also schneller und waren höher als prognostiziert.

Schuld an den kletternden Zinsen haben unter anderem die erhöhten Lebenshaltungskosten. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) erhöhte sich der Verbraucherpreisindex zwischen Mai 2021 und Mai 2022 auf 7,9 Prozent. Dies ist der höchste Steigerungswert seit 40 Jahren.

Teuerungsrate und EZB lassen Bauzinsen steigen

Höhere Teuerungsraten führen dazu, dass die Renditen für Bundesanleihen und Pfandbriefe anziehen. Diese waren im Jahr 2021 noch negativ, im April 2022 lagen sie bei 0,7 Prozent. „Steigen die Zinsen am Kapitalmarkt, wird es für Geldhäuser teurer die Ausgaben für ihre Darlehen zu finanzieren. Diese Mehrausgaben schlagen sie auf die Kredite drauf. Die Immobiliendarlehen verteuern sich, die Bauzinsen steigen“, erläutert Immobilienexperte Stefan Pásztor, Geschäftsführer der Xcorp Immobilien GmbH in Essen.

Ferner zeichnet sich ab, dass die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals seit knapp sieben Jahren ihre Leitzinsen erhöht. Banken reagieren vielfach bereits bei der bloßen EZB-Ankündigung mit höheren Kreditzinsen. Kurz: Sie nehmen die Zinsanpassung vorweg.

Wie Bauherren und Immobilienkäuferinnen reagieren sollten

Wer aktuell auf Immobiliensuche ist, sollte sich mit einer möglichst langen Zinsbindung, zum Beispiel über 15 Jahre oder gegebenenfalls länger, die aktuellen Zinsen sichern. Muss bei einer kürzeren Laufzeit, beispielswiese über zehn Jahre, danach eine Anschlussfinanzierung gesucht werden und ist der Zins zwischenzeitlich merklich gestiegen, dann ist der Anschlusskredit nur zu schlechteren Konditionen zu haben.

Was viele nicht wissen: Wer einen Vertrag mit einer langfristigen Zinsbindung geschlossen hat, kann ihn nach zehn Jahren per Sonderkündigungsrecht auflösen. Dafür muss auch keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt werden. Dies ist für den Fall relevant, dass wider Erwarten die Zinsen künftig sinken.

Forward-Darlehen werden attraktiver

Außerdem führt der aktuell stärkere Zinsanstieg dazu, dass Forward-Darlehen attraktiver werden. Während in den zurückliegenden zehn Jahren die Zinsen sehr niedrig waren, ist künftig mit kletternden Zinsen zu rechnen. Daher war es in der Vergangenheit für viele Kreditnehmer selten angeraten, ein Forward-Darlehen abzuschließen. Denn der Zinsaufschlag, der dafür zu zahlen ist und der sich bei monatlich etwa 0,04 Prozent bewegt, war vergleichsweise hoch im Verhältnis zu den Marktzinsen.

Bei den aktuell steigenden Zinsen und mit der Aussicht, dass diese Entwicklung anhält, könnte es gut sein, dass sich ein Darlehensnehmer besserstellt, wenn er ein Forward-Darlehen abschließt. Dies wird zu den aktuellen Zinssätzen eingeräumt, startet aber erst in beispielsweise zwei Jahren.

Letztlich ist es in der aktuellen Situation noch wichtiger, keine Immobilienfinanzierung „auf Kante zu nähen“ und genug finanzielle Puffer einzuplanen. Risiken stellen nicht nur die steigenden Zinsen dar. Auch die erhöhten Energie- und Baukosten sollten bedacht werden. Weil viele Baumaterialien fehlen, kann sich die Sanierung des erworbenen Einfamilienhauses verzögern und verteuern. Dann müssen die Erwerber unter Umständen länger Miete zahlen, während sie gleichzeitig bereits die ersten Darlehensraten zu begleichen haben.